Schwierigkeitsgrad der Hände: für Experten
Dieses Jahr fanden die zweijährlich stattfindenden offenen Europameisterschaften in Montecatini statt. Montecatini liegt etwa auf halbem Weg zwischen Pisa und Florenz, also in der Toskana, d. h. landschaftlich sehr schön und wer es mag, kann gut und billig (italienisch) essen und Wein trinken. Für Unmut sorgte bereits vor dem Turnier, dass der eigentliche Spielort aus Montecatini selbst in einen etwa 3,5 km entfernten „Vorort“ gelegt wurde. Um dort hin zu kommen, musste man sich für 30 Euro/Woche ein Shuttleticket kaufen oder wie ich ein Fahrrad leihen (gute Idee!, aber ich komme ja auch aus der Stadt mit der größten Fahrraddichte Deutschlands). Der Spielort lag an einer vielbefahrenen Landstraße im Nirgendwo. In der Nähe gab es keine Hotels und auch keine Restaurants (aber dafür McDonalds und Burger King). Der Spielort selbst war ein Kriegsschauplatz, zumindest fühlten sich so viele Bridgespieler, weil direkt neben dem Spielort ein großer, viel genutzter Schießplatz war, weswegen man ständig Gewehrschüsse gehört hat. Der Spielort selbst war ein großes Zelt (ich schätze 150×40 Meter), das schlecht klimatisiert war. Jede Tischreihe hatte eine eigene Klimaanlage, die alle sehr unterschiedlich eingestellt waren. Nach draußen konnte man bei 32° C Außentemperatur und wenig Schatten auch nicht gehen. Aber genug des Meckerns (bei bridgewinners findet man einschlägige Threads …), mich hat das auch alles nicht gestört (auch nicht die Tatsache, dass mein Hotelzimmer gefühlt nie kühler als 36° C wurde). Naja, die 30 Mückenstiche mussten nicht sein …
Positiv hervorzuheben waren die Spielzeiten von 10.30 Uhr bis 19.40 Uhr inklusive einer 70 minütigen Essenspause.
Mein Glückwunsch natürlich vor allem an die deutschen Paare Sabine Auken – Roy Welland (2. Platz Mixed-Paar-EM) und Reiner Marsal – Herbert Klumpp (Senioreneuropameister).
Wie schon an anderer Stelle berichtet, wurde Michael Gromöller nicht zum A-Finale der Mixed-Paar-EM zugelassen. In diesem Artikel will ich über ein paar interessante Hände berichten:
Hand 1
Zunächst eine Hand, die Felix Zimmermann gespielt hat:
Ich habe mal lieber nicht gefragt, wie man in 7♦ landen konnte. Vermutlich hätte ich bei einer Antwort eh nicht viel über Reiztechnik gelernt. Wie kann man erfüllen?
Kommt man aus, ohne Treff zum Buben laufen zu lassen?
Sobald man vier Coeurstiche hat, ist anschließend ein Pik/Treff-Squeeze (oder das Fallen des ♠ K) eine minimale technische Chance.
Welche Chancen hat man, wenn man erfolgreich zum ♣ B laufen lässt?
Eine Chance sind vier Coeurstiche (durch einen Schnitt oder ♥ DB blank). Das alleine reicht schon, damit man zum ♣ B laufen lassen sollte, was sie erfolgreich tun.
Eine andere Chance ist ein Squeeze gegen vier Treffs – drei Coeurs und den ♠ K (beim linken Gegner). Dies gewinnt außerdem bei ♥ DB blank auf beiden Seiten.
Am Tisch müssen Sie hierfür zwei Coeurs und zwei Piks abwerfen. Wenn Sie dann die fünfte Karorunde spielen, können Sie vielleicht am Tempo der Gegner erkennen, wer gesqueezt wird. Wenn Sie dies nicht wissen, sollten Sie eine Treffkarte vom Tisch abwerfen.
Der Gegner kann die Coeurs nicht abwerfen. Das kostet unmittelbar zwei Stiche. Wenn er sich den ♠ K blank stellt, spielen sie anschließend ♠ A-♠D ab und squeezen ihn erneut in Coeur und Treff. Wenn er die Treffs abwirft, können Sie ♥ K-♥A abspielen (falls ♥ DB) blank fallen und dann die Treffs. Das würde den linken Gegner zwischen Pik und Coeur squeezen.
Wenn der linke Gegner alle Farben hält, kann er den Squeeze aufbrechen, indem er die Treffs abwirft (falls Sie dann anschließend auch den zweiten Treffgewinner abwerfen).
Dieser Squeeze setzt natürlich voraus, dass Sie die Schlussposition richtig lesen, da man aber auch ♥ DB blank auf beiden Seiten mitnimmt, ist dies wahrscheinlicher als das Spielen auf eine Single-Coeurfigur.
Außerdem ist das Ausspiel von der ♣ D verräterisch. Vermutlich hat West in jeder Farbe eine Figur (und nicht ♥ DB oder eine blanke Coeur-Figur), weil er sonst passiv ausgespielt hätte.
Sie sollten außerdem auf Wests Karokarten achten. Warum hat er nicht Trumpf ausgespielt?
Das Layout war so und der sich wiederholende Dreifarbensqueeze saß. Ein verdienter Top?!
Hand 2
In der zweiten Hand ergibt sich eine hübsche Schlussposition. Der Alleinspieler hat unterwegs ein paar Fehler gemacht, aber ich finde die Hand trotzdem (oder gerade deswegen?) sehr instruktiv. Sie spielen einen normalen 4♠-Kontrakt im Paarturnier.
Sie ordern im ersten Stich den ♥ B. Selbstverständlich duckt der Gegner.
Wie geht es weiter?
Am Tisch haben Sie sich dazu entschlossen, ♠ A und Pik zum König zu spielen. West wirft auf die zweite Runde die ♣ D ab.
Was nun?
Es wäre präziser gewesen, zwei hohe Piks aus der Hand abzuspielen. Bei Pik 2-2 ist es egal, was sie machen. Wenn West ein 3er Pik hat, können Sie nichts machen. Wenn Ost ein 3er Pik hat, können Sie ihre Treffverlierer auf die Coeurs abwerfen und dann Ihre Karoverlierer mit zwei hohen Piks stechen (sofern Süd das ♣ A hat).
Nun ist es unklar, ob Sie noch zwei Karos klein stechen können. Wenn West nur ein 5er Treff hat, hat Ost eine 3622-Verteilung. Wenn er 3631-verteilt ist, kann man zwar ♦ AK abspielen und anschließend einen Karo klein stechen, es droht aber, dass man dann down geht, wenn Ost 3622 verteilt war.
Unter der Annahme, dass West genau 5 oder 6 Treffs hat, können Sie immer erfüllen, wenn Sie die Schlussposition richtig lesen.
Wie?
Sie spielen gleich die Ruffing Finesse in Coeur und werfen gegebenenfalls Treff ab. Anschließend gehen Sie in Karo zum Tisch und ziehen die restlichen Coeurs mit insgesamt zwei Treffabwürfen ab. Dann spielen Sie die zweite Karofigur ab.
Sie gehen mit Pik in die Hand.
Wenn West noch mindestens zwei Karos hat, können Sie mit dem ♣ K aussteigen. Er muss von der ♦ D antreten oder Treff spielen, wonach die Treffs des Dummys hoch sind.
Wenn West nur noch eine Karokarte hat (oder keine mehr), können Sie den Karo stechen und Ihr ♦ B ist hoch.
Warum ist es notwendig, die Ruffing Finesse in Coeur zu spielen, bevor man alle Trümpfe zieht?
Der Gegner kann dann gleich decken. Wenn man anschließend die Coeurs abspielt, kann West sich die ♦ D blank werfen. Man ist auf der falschen Seite und kann nicht die Karos herausstechen.
4♠+2 brachte etwa 83% (4♠ +1 hätte 50% ergeben).